Vor nunmehr 12 Jahren habe ich im Zuge einer Reise mit Ärzten nach Ostafrika im Süden Tanzanias den Ort Itete entdeckt und dabei eine kleine Kongregation von vier Franziskanern der dritten Ordnung kennen gelernt, die sich speziell um Kinder aus ärmsten Familien annahmen, teils Halbwaisen, teils Waisenkinder. Der Ulanga-Distrikt eine sehr ärmliche, infrastrukturell wenig erschlossene Region. Durch ausländische (vor allem südafrikanische) Firmen, die dort Teakholz produzieren, kam es auch in dieser Region zu einer raschen Ausbreitung von AIDS. Der Krankheitsverlauf wurde auch beschleunigt durch die chronische Mangelernährung der Bevölkerung in dieser Region, in der es bis heute kein funktionierendes Stromnetz gibt und auch nur rudimentäre landwirtschaftliche Strukturen vorhanden sind. Von Anfang an hat mich an diesem „Projekt Itete“ die eigene Initiative der Menschen vor Ort, aber auch die Kooperation mit der lokalen Bevölkerung fasziniert. Ich war so beeindruckt – auch von der Armut und der Einfachheit, mit der die Menschen hier leben, – dass ich schon ein Jahr später mit meiner Frau und meinen Kindern Itete neuerlich besuchte. Damals wurde die sogenannte „Nazareth Community“ von SolidarMed, einer Schweizer Entwicklungshilfeorganisation, unterstützt, die sich vor allem in der medizinischen Versorgung, aber auch in der Prävention in Ostafrika engagiert.
Als meine Familie und ich uns nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Itete verabschiedeten, erhielten wir einen klaren Auftrag von den jungen Menschen und Kindern: „Erzählt, dass es uns gibt!“ Bestärkt mit dieser Botschaft von Menschen, die unter widrigsten Umständen ihr Leben meistern, kehrten wir nach Österreich zurück. Über viele Jahre intensiver Zusammenarbeit entstand in Österreich eine engagierte Dialog-Gruppe Austria(DGA) – Menschen, die überzeugt sind, dass Dialog vor allem im Sinne von Zuhören und Verstehen einerseits, und andererseits auch Umverteilung notwendig sind, um die Bildungs-, Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen Ostafrikas, im speziellen Südtanzanias, zu unterstützen.
Heute, nach über 10 Jahren Engagement im Verein „Dialog mit Itete“, können wir sagen, dass wir auf beiden Seiten (Tanzania und Österreich) vieles gelernt haben und lernen, dass auf beiden Seiten Fehler passiert sind und passieren, und dass der Wunsch, helfen zu wollen, auch nicht immer gleich als Hilfe wahrgenommen wird, manchmal auch Gegenteiliges bewirken kann.
Mit jährlich in Österreich gesammelten Spendengeldern in der Höhe von Euro 40.000,- entwickelt sich mittlerweilen aus einem Aids-Waisenprojekt eine staatlich anerkannte, privat geführte Sekundarschule mit derzeit 150 Schülerinnen und Schülern im Internatsbetrieb. Wenn eine Herausforderung darin bestand, die räumlichen Infrastrukturen zu schaffen für so eine Schule, so war die doch größere Herausforderung – und ist es bis heute noch – die kontinuierliche Kooperation, die Kommunikation, aber auch die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur und Logistik, um einen Schulbetrieb mit so vielen Kindern in Tanzania zu ermöglichen. An dieser Stelle ist uns wichtig, große Wertschätzung unseren vielen Unterstützerinnen und Unterstützern, Freundinnen und Freunden in Österreich auszudrücken, die in zahlreichen Veranstaltungen, Konzerten, Vorträgen, Solidarfastengruppen und auch durch den Verkauf von Kunstwerken das Wachstum und die Entwicklung in Itete seit Jahren fördern. Dank dieser treuen Unterstützung konnten schon etliche Jugendliche ihre Schulausbildung abschließen und Berufsausbildungen zu Labortechnikern, Lehrern oder KFZ-Mechanikern absolvieren. Bildung ist für die Menschen in Itete ein sicherer Weg aus der Armutsfalle und ermöglicht ihnen auch politische Mündigkeit und Wachheit für ein entsprechendes Auftreten gegen Korruption und Manipulation.
Gerade in der jetzigen Zeit, wo wir in Europa gefordert sind durch eine neue Migrationsbewegung, sehen wir die Dringlichkeit mehr denn je gegeben, den Menschen in ihrem Lebensraum Ressourcen und Möglichkeiten wieder zu geben, die ihnen durch Jahrhunderte der Kolonisation geraubt wurden und auch heute noch in einer subtilen Form weiter geraubt werden.
Ich möchte große Wertschätzung unseren Freunden und Partnern in Itete ausdrücken, die seit vielen Jahren mit uns zusammenarbeiten, allen voran dem Schuldirektor der jetzigen Bishop Mchonde Secondary School, Mwalimu Francis Mlokota und dem Gründer dieses Projektes, Brother Samuel Mparangue, der sich nun zunehmend zurückzieht und einer neuen Generation Gestaltungsraum gibt.
Folgende Herausforderungen stellen sich für einen weiteren gelingenden Projektverlauf:
- Etablierung einer starken Führungsgruppe von Frauen und Männern, die sich für den Betrieb der Bishop Mchonde Secondary School verantwortlich fühlen im Rahmen der Better Life Foundation. (BLF)
- Pädagogische Begleitung und Betreuung der Internatschülerinnen und Internatsschüler
- Psychosoziale Prävention, aber auch professionelle Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen
- Fertigstellung der staatlich geforderten Laboratory Class-Rooms mit entsprechender Ausstattung (geschätzte Investitionssumme Euro 80.000,-)
- Lehrer-Fortbildungsangebote für das Lehrpersonal für die Bishop Mchonde Secondary School
- Verbesserung der Photovoltaik-Anlagen und Energieversorgung (Kinder machen derzeit abends bei sehr schlechtem Kunstlicht ihre Aufgaben – teilweise mit Taschenlampen)
- Optimierung der landwirtschaftlichen Produktion, um zunehmend in der täglichen Ernährung für mehr als 180 Menschen auch autark zu werden
- Dialoggruppe Österreich unterstützt auch Aufenthalte von Pädagoginnen und Pädagogen, die ehrenamtlich in der Bishop Mchonde Secondary School unterrichten.
- Wohn- und Lebensraum für Aids-Waisenkinder (dzt. ca. 20 marginalisierte, traumatisierte Kinder) und deren Betreuung!
Es ist das Ziel der Dialoggruppe Österreich eine Entwicklung in Itete zu begleiten, die bis 2020 einen eigenständigen, selbst finanzierten Schulbetrieb vor Ort ermöglicht.
Es ist uns eine Freude, hier an dieser Stelle mitzuteilen, dass der Verein „Dialog mit Itete“ bereits den Spendenbegünstigungsbescheid erhalten hat, wonach Spenden an den Verein steuerlich absetzbar sind. Die Dialoggruppe in Österreich trifft sich 3 bis 4 x jährlich, der Vorstand entsprechend öfter, und es besteht ein reger Austausch zwischen Itete und Österreich.
Wer auch immer bereit und motiviert ist, diesen „Dialog mit Itete“ zu unterstützen, ist zu unseren Dialoggruppen-Treffen herzlich eingeladen. In diesem Fall bitten wir sie um ein entsprechendes Email.
Wir sagen an dieser Stelle im Sinne der Kinder von Itete:
Karibu – gut, dass du in meiner Nähe bist!
und schicken ein herzliches ASANTE SANA – DANKE
Sigrid und Georg Wögerbauer
Pernegg, im Oktober 2015