von Sigrid und Georg Wögerbauer
VERWIRRT
Können wir hier helfen?
Was ist hilfreich
und was ist hinderlich
für Entwicklung?
verletzt
weil nicht verstanden
auf beiden Seiten
unsicher
ob unser Hiersein
Sinn macht
einsam
unter tausenden Menschen
voller Hoffnung
wütend
ob unseres Misstrauens
genährt von
vielen Halbwahrheiten
sprachlos
sitzen wir da
in der Abenddämmerung
hoffend
auf Vertrauen
und Zuversicht
auf beiden Seiten
EIN AUSFLUG AUF DIE FELDER
Nach einigen Tagen Regen ist der Boden endlich so feucht, dass Pflügen möglich wird. Die elemantarste Form des Pflügens hier in Tanzania ist die Spitzhacke, mit der die meisten Menschen in Itete ihre Felder bestellen. Der nächste Schritt ist das Pflügen mit Ochsengespann und Pflugschar – das können sich hier nur die stolzen, aber nicht sehr beliebten „cattle people“ (nomadische Rinderzüchter) leisten – und haben dadurch auch mehr Ertrag. Im Orphanage von Itete, das sich landwirtschaftlich selbst erhält, gibts seit einem Jahr einen Powertiller, eine Art Traktor mit zwei Rädern, ziemlich stark und dadurch nicht leicht zu hantieren.
Zeitig in der Früh brechen wir auf, der Powertiller hat einen Anhänger montiert, mit dem wir Trinkwasser aufs Feld mitnehmen und einen Pflugaufsatz.
Der Weg bis zu den Feldern ist so tief zerfurcht, dass wir zeitweise nur im Schritttempo weiterkommen. Menschen springen während der Fahrt auf, werfen uns Mangos zu oder grüßen freundlich. Die Kinder rufen aufgeregt „wazungu“ (Weiße) und lachen verlegen. Ich habe gelernt, als weißer Mann vorsichtig auf Distanz zu bleiben. Zu schnell wecken wir Weißen falsche Erwartungen – wie schon so oft in der Geschichte – und so lerne ich akzeptieren, dass ich speziell den Kindern ein Stück „ungeheuer“ bin – und wenn, dann nähern sie sich ganz vorsichtig in ihrem Tempo – und plötzlich reibt eine kleine schwarze Hand an meinem Knie und will die weiße Haut wegrubbeln.
Nach eineinhalb Stunden Fahrt und gut durchgerüttelt erreichen wir die Felder – es hat schon gut über 30 Grad, kein Wind weht und es gibt kaum Schatten. Lachend kommt uns Brother Donat entgegen. Er ist bis über die Knie mit rotbraunem Lehm beschmiert, denn seit der Früh stampft er Meuter und durchmischt die braune Erde mit Wasser, um dann, in jedem Arm einen 30 Liter Eimer voll Meuter dem Maurer zu bringen, der die Fundamente für den Hühnerstall errichtet. Die Ziegel sind selbst gebrannt und müssen von uns mit dem Powertiller vom Brandofen zur Baustelle gebracht werden. Nach einer Stunde Ziegelschupfen haben wir Blasen auf den Händen, knallrote Köpfe und extremen Durst. Leicht schwindelig gehe ich zum Haus, wo uns weißen Besuchern zur Ehre gerade ein Huhn geköpft wird. Während der Artgenosse in der Pfanne verschwindet, wird alles genau von ca 100 freilaufenden Hühnern inspiziert. Spontan beschließe ich, Vegetarier zu werden, und argwöhnisch betrachte ich die Kochprozedur. Ausrüstung: ein Messer ohne Griff, ein Stück Holz als Kochlöffel, ein Plastiksackerl (war mal durchsichtig) mit Salz, Sand neben der Feuerstelle zum Kessel waschen und ein Kübel mit Wasser. Seitdem uns Brother Donat begrüßt hat, ist er ständig intensiv an der Arbeit: Kesselwaschen, Meuter stampfen, Ziegel holen, Hendl anbraten, Wasser für die Meuterproduktion aus einem Schlammloch schöpfen…. das alles bei mittlerweilen 40 Grad – er tut es lachend, strahlend, und mit der Kraft von drei Menschen gleichzeitig. Verstohlen schaue ich immer wieder zu ihm, ob er sich nicht doch eine Pause gönnt, und angesichts dieser Betriebsamkeit, erlaube ich mir auch keine Ruhe. Ungefragt übernehme ich Aufgaben, wir können uns in der Sprache der Wörter nicht verständigen, aber in der Sprache der Arbeit merkt Donat, dass wir wirklich da sind, um zu helfen – und ich setze alles daran, ihn zu überzeugen, dass auch Wazungus arbeiten können (für Afrikaner sind Weiße nicht geeignet, schwere körperliche Arbeit zu verrichten). So bediene ich den Maurer, während Sigi Ziegel schupft und Peter, ein Bursche aus dem Orphanage, den Powertiller zum Pflügen einsetzt. Quasi aus Höflichkeit fragt mich Peter, ob ich auch ein Stück pflügen will. Und dann gehts los: Dieses Unicum von einem Traktor geht mit mir durch die Felder. Ich brauche alle Kraft, um die Maschine zu bändigen – nach einigen Reihen des Pflügens mit mäßiger Linienführung ist nichts mehr an mir trocken – ich spüre meinen Puls jenseits von 160, übergebe dankbar das Gerät dem afrikanischen Burschen und kann mich nicht mehr erinnern, wie ich zum Schatten des Baumes gelange.
Kaum regeneriert, muss ich wieder auf die Beine! Der Ort, und insbesondere dieser kleine drahtige Brother Donat mit seinen Bärenkräften lassen mich nicht zur Ruhe kommen. Ich nehme die Kübel und klettere zum Schlammloch hinunter, um mit einer abgeschnittenen Plastikflasche schlammiges warmes Wasser zu schöpfen. Meine Schuhe sind innen und außen schlammüberzogen. Während ich in brütender Hitze geduldig die 30- Liter Eimer fülle, kann ich für einen Augenblick die Lebensrealität der Menschen hier in Afrika erfühlen, ganz kurz verstehen. Ein Gefühl von Aussichtslosigkeit und Verzweiflung überkommt mich, was auch nicht dadurch erleichtert wird, dass ich beim Aufstieg aus dem Schlammloch ausrutsche und mir 30 Liter Schlamm über die Füße fortrinnen. Donat sieht meine Misere, er lacht, wie immer, hilft mir auf, springt ins schlammige Wasser und läuft schon wieder weiter, in jeder Hand zwei volle Eimer.
Endlich ist Mittagszeit! Infolge der Anstrengungen habe ich meinen vegetarischen Vorsatz vergessen. Zu viert essen wir von zwei Tellern. Nach 15 Minuten – ich habe gerade die Pause realisiert – geht die Arbeit weiter. Hier gibts keine Uhr. Für uns ist die Zeit auf den Feldern wie drei Tage – bis wir endlich unser Gefährt für die Heimreise herrichten. Zum Abschied fängt Donat noch ein Huhn, schenkt es Sigi für die getane Arbeit, und noch während wir losfahren, ist er schon wieder auf der Baustelle.
Am Heimweg überrascht uns ein Tropengewitter, der Powertiller samt Anhänger bleibt im Schlamm stecken, wir müssen absteigen, antauchen – der Regen wäscht uns den Dreck vom Leib. Sigi und ich können nurmehr lachen, und mit uns die Menschen, die in ihren Hütten Schutz suchen und die zwei Wazungus mit hochrotem Kopf vollkommen durchnässt am Powertiller bestaunen. Unser afrikanischer Freund Jacky, der uns den ganzen Tag begleitet hat, ist so müde, dass er am Anhänger einschläft – wir merken das erst, als er rücklings vom Anhänger fällt.
Zu Hause angekommen, gibts Reis, Gemüse und ein Huhn – wir habens uns ja verdient!?
Abends im Bett hab ich noch dieses fröhliche und energievolle Gesicht, die kräftigen Bewegungen, die strahlenden Augen von Brother Donat vor mir. Er weiß, wofür er all die Arbeit macht, er und sein Helfer versorgen täglich mehr als 60 Menschen mit Reis, Gemüse und Hühnerfleisch. – Und ich weiß, was ich, zurück in Österreich erzählen werde: Brother Donat braucht dringend eine Wasserpumpe, das Wasserloch ist schon gegraben – und das Fernziel ist ein Traktor, denn dann können die Kinder von Itete an der Landwirtschaft Geld verdienen, um sich die Schulgelder zu leisten. – Bildung wird sie frei und unabhängig machen.
EIN GUTER TAG
hier in Afrika
lernen wir
die Morgenröte
und
die Abenddämmerung
zu genießen
den Anfang
und
das Ende
die Hitze des Tages
die Geräusche der kühlen Nacht
und
die Ruhe zu Mittag
wir lernen
zuhören
Gast – sein
in Gesichtern lesen
wir lernen
auf Hitze zu reagieren
wie auch auf tropischen Regen
und
den Augenblick
einer kühlen Brise
zu feiern
wir lernen
mit unseren Händen
beim Händedruck
genau um jenen Augenblick
länger zu verweilen
der uns das Du
wahrnehmen lässt.
wir lernen
das immer gleiche Essen
langsam zu genießen
und
den Koch zu würdigen
wir lernen
langsam
Sein
Mit – Gefühl
für mich
und
dich
Asante
Afrika
für
diesen
Tag